Sehnsucht nach …

Das Leben hat sich ziemlich umgestellt seit wir alle unsere physischen Kontakte einschränken sollen. Ich telefoniere, skype und lerne wie Kommunikation auf andere Art und Weise geht. Aber ich muss mir eingestehen, es fehlt viel: Die Begegnungen face to face, die Berührung, das Leibliche. In den letzten Tagen auch die Situation vor einer Schulklasse zu stehen und auch die nonverbalen Reaktionen wahr nehmen zu können und und. Dafür viel im Büro und zuhause und vieles zum Lesen. Die Zeit wird selten lang.

Und nachts kommen Fragen und das über Tags Gelesene, Gehörte will durchdacht und manchmal auch durchwacht werden. Es bleibt vieles offen und viele Fragen.

Vor Tagen sagte ein Freund, der in Frankreich, der noch viel strengeren Ausgangssperre unterworfen ist: Was uns wohl allen am meisten zu schaffen macht, ist dass wir noch fast nichts, oder eigentlich Garnichts wissen. Das scheint ein neues Lebensgefühl zu sein, sage ich mir. Aber vielleicht verdecken unsere Alltagsroutinen, unser übervoller Terminkalender nur, dass es immer so ist. Vieles ist offen und fordert uns heraus es geschehen zu lassen. Vieles bleibt offen und will ausgehalten werden.

Michael Schüssler hat mich auf einen Text von Anke Stelling aus ihrem Roman „Schäfchen im trockenen“ hingewiesen; um genau zu sein ist es der Romananfang:

„Hör zu, Bea, was das Wichtigste ist und das Schlimmste, am schwierigsten zu verstehen und, wenn du’s trotzdem irgendwie schaffst, zugleich das Wertvollste: dass es keine Eindeutigkeit gibt. Das muss ich hier zu Anfang, schon mal loswerden – weil ich es immer wieder vergesse. Und vermutlich vergesse ich es deshalb, weil meine Sehnsucht nach Eindeutigkeit so groß ist und die Einsicht, dass es keine gibt, mich so schmerzt. Aber gleichzeitig ist sie auch tröstlich. Wie kann etwas, das weh tut, mich trösten? Da hast du´s schon. Genau so was meine ich.“

Andréas Hofstetter-Straka