Jesus sprach weiter:
Ich bin der gute Hirt.
Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe.
Der bezahlte Knecht aber, der nicht Hirt ist und dem die Schafe nicht gehören, lässt die Schafe im Stich und flieht, wenn er den Wolf kommen sieht; und der Wolf reißt sie und jagt sie auseinander. Er flieht, weil er nur ein bezahlter Knecht ist und ihm an den Schafen nichts liegt.
Ich bin der gute Hirt; ich kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich, wie mich der Vater kennt und ich den Vater kenne; und ich gebe mein Leben hin für die Schafe.
Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind; auch sie muss ich führen, und sie werden auf meine Stimme hören; dann wird es nur eine Herde geben und einen Hirten.
Deshalb liebt mich der Vater, weil ich mein Leben hingebe, um es wieder zu nehmen.
Niemand entreißt es mir, sondern ich gebe es aus freiem Willen hin.
Ich habe die Macht, es hinzugeben, und ich habe Macht, es wieder zu nehmen.
Diesen Auftrag habe ich von meinem Vater empfangen.
Joh 10,11-18
Es geht weiter
– mit dem Bild vom „Guten Hirten“:
Der Evangelist Johannes bleibt dran – vielleicht selbst fasziniert von diesem Bild und von all dem, was es für den Glauben an Jesus auszudrücken vermag.
Und vielleicht – bei aller Redaktion, die er selbst anbringt – ist er fasziniert von Jesu Worten, von dessen klarer einprägsamer Sprache, von Jesu Bildern, von dessen Orientierung an der Lebenswelt der Menschen um ihn. Es ist die Lebenswelt der Fischer, der Hirten, der Bauern und der Handwerker, ohne aber die Lebenswelt der Besitzenden ganz außen vor zu lassen.
Auch heute wäre die Sprache Jesu sicherlich klar und einprägsam und eine Sprache ohne Überheblichkeit.
Auch heute wäre die Sprache Jesu voller Bilder: Bilder aus der Lebenswelt vielleicht der heute „systemrelevanten“ Menschen: der Kranken- und Altenpfleger, der Erzieherinnen, der Menschen an den Kassen …
Das Bild vom „Guten Hirten“ selbst nimmt in den Versen des Tagesevangeliums von heute noch eine andere Wendung.
Der „Gute Hirte“ wird sein Leben für seine Schafe geben – und nicht nur für die Schafe, die im bisher anvertraut wurden.
Und wer mit dem Bild des „Guten Hirten“ Probleme hat, weil der Ruf nach einer starken Hand, die führt, in vielen Gesellschaften gerade übergroß und manchmal beängstigend ist, der kann das Bild des „Guten Hirten“ Jesu als Folie über alle legen, die diese starke Hand anbieten – ohne ihr Leben (oder gar Vermögen) einzusetzen, ohne einen Blick über die eigene Herde hinaus zu haben.
Der „Gute Hirte“ hat eine leise, aber deutliche Stimme.
Er führt, ohne zu verführen.
Er sorgt, ohne die Freiheit zu entsorgen.
Er gibt sein Leben – und schenkt damit Leben.
