Der, den keiner haben will

Aus dem Evangelium nach Johannes

(Joh 14,21–26)

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern:

Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt; wer mich aber liebt, wird von meinem Vater geliebt werden und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren. Judas – nicht der Judas Iskariot – fragte ihn:

Herr, warum willst du dich nur uns offenbaren und nicht der Welt?

Jesus antwortete ihm:

Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen. Wer mich nicht liebt, hält an meinen Worten nicht fest. Und das Wort, das ihr hört, stammt nicht von mir, sondern vom Vater, der mich gesandt hat. Das habe ich zu euch gesagt, während ich noch bei euch bin. Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.


Als ich das heutige Tagesevangelium gelesen habe, ist mir dieser Satz aufgefallen: „Judas – nicht der Judas Iskariot – fragte ihn…“. Das wirkt auf mich folgendermaßen: Judas Iskariot ist der, den keiner haben will, der „outsider“ im Jüngerkreis Jesu – jeder von uns weiß, was am Ende passiert: Judas wird Jesus verraten. Das wusste auch Johannes, als er das Evangelium verfasst hat.

Es lohnt sich aber, mal einen anderen Blick auf Judas zu werfen. Mein erster Gedanke ist dabei: Ohne Judas wäre es wahrscheinlich nicht so gekommen, wie es gekommen ist. Und am Ende der ganzen „Geschichte“ steht immerhin die Auferstehung Jesu.

Und mein zweiter Gedanke: Judas mag für alle anderen der „outsider“ sein. Aber ich bin mir sicher, für Jesus ist er das nicht! An Judas zeigt sich die Barmherzigkeit Jesu am besten. Neulich ist mir ein Bild „über den Weg gelaufen“, und zwar das eines Kapitells in der Kirche von Vézelay in Frankreich. Darauf ist Jesus zu sehen, wie er den toten, lächelnden Judas auf den Schultern trägt. Wenn Sie das hier lesen und gerade ohnehin im Internet unterwegs sind, googlen Sie es doch einmal – es ist wunderbar anzusehen, weil es eine wunderbare Botschaft für uns selbst transportiert: Wenn Jesus sogar Judas auf seinen Schultern trägt, dann trägt er auch mich, egal, wie oft ich ihn verrate. Ich hoffe, dass Sie sich besonders heute von Jesus getragen fühlen!

Kathaina Seikel